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Contemporary Art of Zimbabwe

Geschichte der Steinbildhauerei in Zimbabwe

Afrika gilt als der Kontinent der Skulptur. Noch heute belegen die traditionellen Objekte – häufig Masken und Figuren für spirituelle Rituale die reiche Kulturlandschaft des alten Afrikas. Besonders in West- und Zentralafrika gab es Hochkulturen, deren ausdrucksstarke Werke faszinieren.

Das heutige südafrikanische Zimbabwe, ehemals Rhodesien, hatte dagegen im 11. bis 16. Jahrhundert eine Hochkultur, deren Architektur zum Weltkulturerbe gehört. Die Ruinen von „Great Zimbabwe“ sind die größten und ältesten vorkolonialen Steinbauten südlich der Sahara. Sie gaben der heutigen Nation ihren Namen. Zimbabwe bedeutet „Häuser aus Stein“.

In Great Zimbabwe fand man auch die ältesten Skulpturen der Region, die sogenannten „Zimbabwe Birds“ aus Speckstein. Einer der Vögel ziert die Flagge Zimbabwes. Bis zu der modernen Steinbildhauerei in Zimbabwe vergingen jedoch mehr als 500 Jahre ohne weitere nachweisbare bildhauerische Traditionen im Land. Kunsthistorisch lässt sich daher keine durchgängige Linie von den „Zimbabwe Birds“ zur modernen Steinbildhauerei ziehen.

Zimbabwe ist ein Land, das mit vielen Gesteinsarten für Bildhauer gesegnet ist: Serpentin, Verdit, Marmor, Granit. Die meisten Bildhauer Zimbabwes bevorzugen Serpentin, der am Rand des „Great Dykes“ gebrochen wird. Der Great Dyke ist ein Gesteinsstrang magmatischen Ursprungs, der sich auf einer Länge von 540 km durch Zimbabwe zieht.

Serpentin ist ca. 2 Milliarden Jahre alt und zeichnet sich durch eine feine Struktur und wenig Risse aus. Nach der Mohs’schen Härteskala verfügt Serpentin über einen Härtegrad zwischen 2,5 und 4,5, ähnlich dem von Marmor oder Kalkstein. Es gibt

 

ihn in zahlreichen Farbschattierungen, ein Resultat der eingeschlossenen Mineralien.

Die Entwicklung der modernen Bildhauerkunst im heutigen Zimbabwe, die Ende der 1950er-Jahre begann, ist ein Novum in der Geschichte der modernen Kunst. Es ist eine Kunstrichtung, die – im Gegensatz zur traditionellen Kunst Afrikas als reine Kunst, als l’art pour l’art entstand. Während die meisten Hochkulturen am Ende einer langen Entwicklung zu immer verfeinerten künstlerischen Werken führten, ist die zimbabwische Bildhauerkunst praktisch aus dem Nichts heraus entstanden.

Möglich wurde der sagenhafte Aufstieg der zimbabwischen Bildhauer in die internationale Kunstwelt durch das enorme kreative Potenzial seiner Menschen und die besonderen Umstände der Geschichte dieses Landes. Es waren vor allem der englische Kunsthistoriker Frank McEwen und der rhodesische Tabakfarmer Tom Blomefield, die den afrikanischen Künstlern den Weg zu internationalem Ruhm ebneten und bei dem interessierten Publikum in Europa und Übersee ein Moment der Überraschung auslösten: „Moderne Kunst aus Afrika“.

McEwen hatte 1957 die Aufgabe übernommen, in der Hauptstadt Rhodesiens eine staatliche Kunstgalerie aufzubauen. Nach der Intention der Regierung sollte es ein Museum mit europäischer Kunst für die weiße Oberschicht werden. McEwen nahm den Auftrag an, verfolgte jedoch andere Ziele. Er wollte das kreative Potenzial der Afrikaner entdecken, da er wie sein Lehrer Gustave Moreau davon überzeugt war, dass wirkliche Kreativität angeboren und nicht zu erlernen sei.

In Paris hatte er die Suche seiner Künstlerfreunde Matisse, Picasso, Brancusi und Braque nach neuen künstlerischen Ideen miterlebt. Sie waren fasziniert und inspiriert von den afrikanischen Masken und Statuen. Picassos Werk wurde davon maßgeblich beeinflusst und seine Auseinandersetzung mit den afrikanischen Formen führte schließlich zum Kubismus. McEwen ahnte, dass eine neue, moderne Kunst aus Afrika die Neugier der Kunstwelt in Europa wecken würde.

Ein glücklicher Zufall für die Entwicklung der Bildhauerkunst in Zimbabwe war McEwens Begegnung mit dem afrikanischen Landwirtschaftsberater Joram Mariga, der in seiner Freizeit Figuren aus Holz und Stein schnitzte. Als McEwen eine fertige Specksteinskulptur von Joram Mariga sah, war er von der Kreativität des Künstlers und der Ausdrucksstärke dieser Skulptur so begeistert, dass er beschloss, Workshops für Bildhauerei einzuführen und Joram bat, diese zu leiten: Es war die Geburtsstunde der zimbabwischen Bildhauerei.

Auf Joram Marigas Vorschlag hin kaufte McEwen 1967 in Nyanga ein 40 qkm großes Gebiet und gründete die Künstlerkolonie Vukutu. McEwen regte die jungen Künstler an, Kunst um der Kunst willen zu machen und sich dabei von den inneren Bildern und den Mythen ihres Volkes, der Shona, inspirieren zu lassen, was später zu dem Begriff Shona-Skulptur führte. Er verzichtete darauf, die Künstler auszubilden, setzte jedoch hohe Qualitätsmaßstäbe und lehrte sie, strenge Selbstkritik zu üben.

In der Zeit befand sich der afrikanische Kontinent politisch im Umbruch. Ende der 1950er-Jahre waren viele afrikanische Staaten unabhängig geworden, aber in Südrhodesien, dem heutigen Zimbabwe, hielt die weiße Minderheit – trotz einer erstarkten Unabhängigkeitsbewegung – am Apartheidsystem fest. Die Kluft zwischen der weißen und schwarzen Bevölkerung wurde tiefer. 1965 erklärte die weiße Regierung Südrhodesiens einseitig die Unabhängigkeit von der britischen Krone.

Die internationalen Sanktionen, die daraufhin gegen das Land verhängt wurden, isolierten Südrhodesien nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell.

Wegen der Wirtschaftssanktionen und der damit verbundenen hohen Arbeitslosigkeit in Rhodesien suchte der Tabakfarmer Tom Blomefield nach neuen Verdienstmöglichkeiten für seine Farmarbeiter, die jahrelang für ihn hart gearbeitet hatten. Er wollte sie nicht entlassen. Bei einem Besuch wies ihn Chrispen Chakanyuka, ein Künstler aus Vukutu, auf die ungeheuren Mengen besten Serpentingesteins auf seinem Farmgelände hin. Da Tom Blomefield sich schon immer für Kunst begeistert hatte, stellte er seinen Arbeitern Bildhauerwerkzeuge zur Verfügung und engagierte Chrispen Chakanyuka als Lehrer. Nach kurzer Zeit waren die Arbeiter so erfolgreich, dass sich auf Tom Blomefields Farmgelände die Künstlerkolonie Tengenenge als zweites Kunstzentrum Zimbabwes etablierte. Bis in die 1970er-Jahre, als der Bürgerkrieg ausbrach, bildeten das abgelegene Vukutu und die Künstlergemeinde Tengenenge die wichtigsten Bildhauerzentren Rhodesiens.

Ab 1965 begann McEwen Ausstellungen außerhalb des Landes zu organisieren, 1968 waren Skulpturen in einer Ausstellung des New Yorker Museum of Modern Art zu sehen. Mit der Sonderausstellung im Pariser Musée Rodin 1971 erfolgte die internationale Anerkennung der Bildhauer, die vor allem den großen Künstlern der ersten Generation zu weltweitem Ruhm verhalf. International renommierte Kunstkritiker verglichen die Künstler Nicholas Mukomberanwa, Bernard Matemera und Henry Munyaradzi mit Henry Moore.

Bernhard Matemera, Head

Nicholas Mukomberanwa, Mediators

Joram Mariga, Hyanas

In einem Artikel der amerikanischen Newsweek 1987 wurde die Bildhauerei Zimbabwes als „wahrscheinlich eine der wichtigsten Kunstformen dieses Jahrhunderts“ bezeichnet. Und 1988 schrieb der Chefkritiker des Londoner Daily Telegraph (und Mentor der Royal Academy Schools), Michael Shephard: „Nun, da Henry Moore tot ist, wer ist der Welt größter lebender Bildhauer? In meinen Augen gibt es drei Bewerber – und alle drei kommen aus Zimbabwe.“

Der Verkauf der Skulpturen wurde in den ersten Jahren über die Nationalgalerie abgewickelt. Als Direktor unterstützte McEwen zu Beginn die Künstlergemeinschaft Tengenenge. Sowohl McEwen als auch Tom Blomefield war die künstlerische Freiheit der Bildhauer sehr wichtig. Aber McEwen war nur bereit Werke auszustellen, die seinen Qualitätsansprüchen genügten, da er im Verkauf und Ausstellen von Skulpturen, die seine Kriterien nicht erfüllten, eine Gefahr für die Reputation der gesamten Kunstrichtung sah. Tom Blomefields Hauptanliegen dagegen war, den Bildhauern eine Lebensgrundlage zu bieten – Inhalt, Gestaltung und künstlerische Authentizität waren dem untergeordnet.

Diese unterschiedlichen Maxime führten nach drei Jahren zu einem abrupten Ende der Zusammenarbeit. Obwohl es sich um moderne afrikanische Kunst handelt, blieb die Thematik der zimbabwischen Skulpturen für viele Jahre eher traditionell: die Werke waren figurativ, meistens mit polierter Oberfläche.

Etliche Skulpturen waren vom Ahnenkult ihrer Kultur geprägt, das häufigste Motiv war der Kopf. Der Glaube an die Beseeltheit der Natur führte die Künstler zu einer Arbeitsweise, die der Michelangelos ähnelte: sie „träumten“ teilweise tagelang über eine Skulptur – um sie dann in großer Geschwindigkeit aus dem Stein herauszuholen. Die Künstler der ersten Generation hatten keinerlei schulische Kunstausbildung. Nur durch andere Bildhauer in die Technik eingeführt, bezogen sie ihre Kreativität aus sich selbst heraus und schufen Werke von großer Ausdruckskraft, die noch heute Menschen verschiedenster kultureller Herkunft direkt ansprechen. Die wachsende Anerkennung der „Shona-Skulpturen“ und das zunehmende Interesse der Sammler bot den berühmten Bildhauern eine ausreichende materielle Grundlage, um sich als professionelle Künstler zu etablieren, die nicht nur von ihrer Kunst, sondern auch für sie lebten. So groß die Begeisterung über die „Shona-Skulpturen“ in der internationalen Kunstwelt auch war, im eigenen Land stand die weiße Oberschicht der afrikanischen Kunst ihrer Landsleute und ihrem Förderer McEwen ablehnend gegenüber, sodass McEwen 1973 das Land verließ. Während des Unabhängigkeitskrieges in Rhodesien (ca. 1972–1980) kam die Bildhauerbewegung fast vollständig zum Erliegen. Erst ab 1980, im unabhängigen Zimbabwe, belebte sich die Kunstszene wieder. Zahlreiche Ausstellungen im Ausland, die häufig von dem Galeristen

 

Tapfuma Gutsa, Scorpio

Roy Guthrie und Tom Blomefield organisiert wurden, vermehrten den Ruhm der renommierten Bildhauer und ermutigten diese, zu experimentieren und in größeren Dimensionen zu arbeiten.

Junge Künstler stießen zu der Bildhauerbewegung hinzu. Tapfuma Gutsa, der als erster mit einem Stipendium des British Council in London Kunst studiert hatte, arbeitete in Mixed Media und verbandin seinen aussagekräftigen Arbeiten oft Stein, Holz und Horn. Brighton Sango schuf als erster abstrakte Plastiken, die ebenso wie die schwerelosen, eleganten

Skulpturen von Itai Nyama keine afrikanischen Assoziationen wecken. Mit den jungen Künstlern veränderte sich auch die Bearbeitung des Steins. Polierte Flächen und roh gebliebene Oberflächen wurden miteinander kombiniert, was das

Spannungsgefüge der Skulpturen erweiterte. Mit neuen Werkzeugen, vor allem härteren Meißeln, ließen sich Durchbrüche gestalten und auch härtere Steine, wie Springstone (die härteste Serpentinart), Lepidolit oder Verdit, bearbeiten.

 Die verschiedenen Möglichkeiten der Oberflächenbearbeitung und die Kombination der verschiedenen Materialien wurden wirkungsvoll eingesetzt. Auch die Formensprache und Gestaltung veränderte sich. Neben dem figurativen Arbeiten trat vermehrt die Reduktion bis zur völligen Abstraktion. Was bei einigen Ausstellungen zu dem Ausruf führte: „Die Skulpturen sind ja gar nicht afrikanisch“.

Hatten zu Beginn der Bildhauerbewegung die angehenden Künstler die handwerklichen Fertigkeiten von anerkannten Bildhauern gelernt, ähnlich wie in den Meisterschulen in der Renaissance, nahm im Laufe der Zeit die Zahl der Bildhauer mit einem Kunststudium zu. Der ethnische Begriff „Shona Sculpture“ wurde bei Kunstkennern wie auch bei vielen Künstlern immer mehr als nicht zutreffend abgelehnt.

Während sich bei der Gestaltung der Werke vieles verändert hatte, 

Itai, Nyama, Combination 2

war das Interesse an den Skulpturen in Zimbabwe selbst nicht gestiegen. Es gab weder ein Publikum noch ein kritisches Echoseitens der einheimischen Presse. Selbst die wohlhabende neue Elite der Schwarzen interessierte sich nicht für das, was ihre im Ausland gefeierten Künstler schufen. Die Nationalgalerie in Harare veranstaltete zwar jährlich große Ausstellungen, die National Heritage Exhibitions, aber es fehlten die kritischen Stimmen, um die Qualität der Exponate vor allem bei den jungen Künstlern zu steigern. Mit dem bedrohlichen Niedergang der Wirtschaft war das Elend der afrikanischen Bevölkerung gewachsen. Die Arbeitslosigkeit stieg in den 1990er-Jahren auf über 70 %. Wer keine Arbeit hatte, versuchte sich im informellen Sektor über Wasser zu halten. Der Erfolg der renommierten Bildhauer verlockte viele junge Zimbabwer, ihren Lebensunterhalt mit Skulpturen zu verdienen.

Ihnen ging es nur um Materielles – nicht um künstlerische Arbeit – was die Kommerzialisierung der Bildhauerei förderte. Da in Afrika traditionell nicht zwischen Kunsthandwerk und Kunst unterschieden wurde, es kaum Kunstkritik gab, wurde die Bildhauerei als Ganzes beurteilt und führte zu einer Minderung der Reputation – auch jener der kreativen Bildhauer Zimbabwes. Doch Pauschalurteile werden dem Einzelnen nie gerecht. Und so erschwert man den hervorragenden Künstlern, die es nach wie vor in Zimbabwe gibt, die Anerkennung, die sie verdienen. Denn ihre hohe künstlerische Qualität, ihre Konzeption sowie die Perfektion der Bearbeitung aufgrund ihrer außergewöhnlichen Materialkenntnis, das sind Faktoren, die zahlreiche zeitgenössische Bildhauer in Zimbabwe auszeichnen, sodass sie keinen Vergleich mit westlichen Künstlern scheuen müssen.

Die Meister der ersten Generation, allen voran Nicholas Mukomberanwa und Bernhard Matemera, haben die innere Begabung gehabt. Ihre Werke strahlen eine Kraft aus, die Picasso bei der traditionellen afrikanischen Kunst so begeisterte. Durch ihre Werke hat die Bildhauerei aus Zimbabwe einen wichtigen Platz in der Kunst des 20. Jahrhunderts gefunden. Die jungen Bildhauertalente heute zeigen, dass sie würdige Nachfahren der Pioniere sind, dass sie zwar der Tradition ihrer Kultur treu geblieben sind, aber Impulse des Westens aufgenommen haben und als gleichberechtigte Künstler gesehen werden müssen, die sich nicht mehr in die ethnologische Nische der Stammeskunst drängen lassen.

Erfreulicherweise haben immer mehr Galerien und Museen die enorme Kreativität der Afrikaner erkannt. Junge Künstler aus Zimbabwe werden heute von Galerien in New York und Shanghai eingeladen, ihre Werke zu zeigen. Auch auf der Biennale in Venedig sind die Künstler Zimbabwes regelmäßig vertreten..